MW-Radio

                           Auch mit einem kleinen selbst
                         gebauten MW-Radio ist der Sender

                     Funklust in Nürnberg gut zu empfangen.    
                                             Feb.  2020


Gute Nachrichten für Mittelwellen-Fans in

Franken

Oppelt

Ralph  Oppelt:  einmal Radiofan, immer Radiofan                                Foto: Budig
Zu  Besuch bei Ralph Oppelt, der  für die Mittelwelle kämpft.

Von Peter Budig

Es gibt gute Nachrichten. Die Radiowüste Deutschland, in der seit 2016 alle Lang-, Mittel und

Kurzwellensender abgeschaltet sind (es kommt noch schlimmer: bis 31.12.2025 soll UKW nachfolgen,

dann wird es nur noch den digitalen DAB-Empfang und das Internet geben) hat eine kleine fränkische

Oase erhalten. Wie es so ist, mit Oasen inmitten von Wüsten, musste sie mühsam angelegt,

eigenhändig gegossen, gehegt und gepflegt werden. Der zuständige Gärtner heißt Ralph Oppelt, ein

pensionierter ehemals leitender Siemens-Ingenieur. Unermüdlich hat er an den behördlichen und

technischen Voraussetzungen für einen kleinen lokalen Mittelwellensender gearbeitet, unterstützt

vor allem vom Fraunhofer Institut in Tennenlohe. Oppelt geht es um die Vermittlung grundsätzlicher

Kenntnisse über Radiotechnik und Radioempfang. Das ist Oppelts Mission; er will anhand der von

ihm erstellten Sendestation und zahlreicher Exponate technisch interessierten Jugendlichen –

Berufsschülern, Studenten – Grundkenntnisse in (Radio-)Technik vermitteln können. Oppelt erzählt

von seiner lebenslangen Leidenschaft fürs Radio auf seiner Profilseite in

https://www.radiomuseum.org/dsp_profile.cfm:


Wie alles begann: Als Kind spitzte ich heimlich durch die Rückwandlöcher unseres Graetz-

Radios und fand zu meiner großen Enttäuschung doch keine musizierenden Zwerglein darin

vor. Jetzt war eine unendliche Neugier geboren: Wie kommt die Musik da rein? Doch mit der

Zeit konnte ich Schritt für Schritt die Geheimnisse lüften. Der verbotene Schuttplatz der

amerikanischen Streitkräfte und ausrangierte Röhrenradios waren meine

Hauptmaterialquelle für erste Experimente: Haustelefon, Mittelwellenradio usw. Statt mit

unerschwinglich teuren Transistoren, bastelte ich eben mit Röhren, um eigene Radios und

Kleinsender zu bauen. Mit 17 erhielt ich dann eine Amateurfunklizenz, später folgte ein

Studium der HF-Technik mit Promotion – bis wohl das letzte Geheimnis der Funktechnik

gelüftet war. Doch jetzt gibt es wieder neue Geheimnisse: Alte Radios vom Flohmarkt!

Längst keine Materialquelle mehr, sondern kostbare individuelle Zeugen einer veralteten

Technologie, wo man zur Restauration und Reparatur detektivisch rekonstruieren muss,

welche Röhren da wohl drin gewesen sein könnten, weil man den Aufdruck nicht mehr lesen

kann... Das Schöne dabei ist, dass man Radios aus dieser Zeit praktisch immer reparieren

kann – was für solche der Jetztzeit nur selten zutrifft. Es ist jedes Mal eine wunderbare

Belohnung, wenn man den oft jahrelang verstummten Geräten schließlich wieder die ersten

Töne entlocken kann.


Hausbesuch beim Meistertüftler: Das Familiendomizil in Landkreis Erlangen ist – dank der

Großzügigkeit von Ehefrau Claudia und der mittlerweile ausgezogenen Kinder – zum Teil in ein

Radiomuseum mit eigener Werkstatt umgewandelt worden. Hier erklärt der Radioexperte und -

Sammler dem unbedarften Besucher Grundsätzliches: „Das Radio ist das älteste der elektronischen

Massenmedien. Rundfunk funktionierte bereits Anfang des 20. Jahrhunderts.“ Um das Phänomen zu

begreifen, warum man beispielsweise Sendungen der Deutschen Welle ohne weiteres auf einem

Transistorradio in der Sahara empfangen konnte, muss man physikalische Gesetze begreifen. Und

sollte sie wertschätzen: das Phänomen ist im Grunde ein Geschenk der Natur und deren Gesetze.


Selbst in der Wüste oder auf dem Ozean kann man Radiosendungen ohne Satellit oder Internet direkt

aus der Luft empfangen, obwohl weit und breit kein Sender in Sicht ist, solange die Frequenzen unter

etwa 30 MHz liegen Dieses Phänomen ist der sogenannten Ionosphäre zuzuschreiben. „Dabei

handelt es sich um eine Schicht der Atmosphäre, die in 100 Kilometern Höhe beginnt und rund 300

Kilometer dick ist. Dort sorgt Strahlung aus dem Weltall dafür, dass Elektronen aus Atomen gelöst

werden. Die positiv geladenen Atomreste bilden zusammen mit den Elektronen einen Spiegel für

Radiowellen. Ein Radioprogramm der Deutschen Welle kann so mehrfach zwischen Erde und

Ionosphäre hin- und hergeworfen und schließlich von einem Kofferradio in der Sahara empfangen

werden.“ (Aus: Die Welt der Physik. Deutsche Physikalische Gesellschaft e.V. www.dpg-physik.de/

unter „Radiowellen“). Mit Radiowellen lassen sich Informationen – zum Beispiel Geräusche wie

Stimmen, Musik und ganz allgemein Daten – drahtlos übertragen. „1880 erzeugte der deutsche

Physiker Heinrich Hertz zum ersten Mal Radiowellen. Er bestätigte damit die Theorie des Schotten

James Clerk Maxwell, nach der sich elektromagnetische Kräfte wellenartig ausbreiten können und

nach der auch sichtbares Licht eben eine solche Art Welle ist. Hertz erzeugte Radiowellen, indem er

Ladungen in elektrischen Leitern – wie beispielsweise in einer Sendeantenne – zum Schwingen

brachte.“


Die Grundfrage war nur noch, so Oppelt, „wie bringe ich die Infos auf die Welle? Diesen Vorgang

nennt man Modulation Dazu gibt es verschiedene Verfahren, das älteste heißt

Amplitudenmodulation“. Um Daten drahtlos zu übertragen, müssen die Informationen quasi auf die

Welle gepackt werden. „Jeder Radiosender strahlt eine elektromagnetische Welle ganz bestimmter

Frequenz aus, über die die neuesten Musikhits oder Verkehrsnachrichten gesendet werden. Die Töne

sind in den Veränderungen dieser Welle enthalten. Dafür gibt es in analoger Technik vorzugsweise

zwei Möglichkeiten, die auf den Radioempfängern mit AM und FM abgekürzt werden: Bei der

Amplitudenmodulation (AM) stecken die Informationen in der sich ändernden Amplitude (maximaler

Ausschlag) der Schwingung. Bei der Frequenzmodulation (FM) dagegen schwankt die Frequenz der

Welle leicht um den Mittelwert, den Sie am Radio eingestellt haben.


So funktionierte das Radiohören sehr gut knapp100 Jahre lang. Ein Grund für das langsame Sterben

dieser Radioform ist auch das Abwandern des Radios ins Internet. Also ähnliche Prozesse, die

gedruckten Zeitungen seit Jahren zunehmend den Garaus machen. Doch im Falle der Radiosender

sind es nicht Unternehmen, die auf wirtschaftliche Zwänge reagieren. Der Staat hat entschieden,

dass alle KW, MW, und LW-Sender abgeschaltet werden. Die Zahl der Radiohörer, die noch auf

konventionellem Wege Sendungen empfangen, „sei im Grunde nicht mehr messbar“ entschied die

Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten“ (KEF) und sprach ein

Machtwort: Zuerst wurden alle Kurzwellen- Sender abgeschaltet: Ende 2014 traf es dann die

Langwellensender und zuletzt wurden zum 31.12.2015 alle Mittelwellen-Sender abgeschaltet. Der

nächste Termin ist bereits festgelegt: zum 31.12.2025 sollen alle UKW-Sender abgeschaltet werden.

Das bedeutet nicht nur, dass irgendein technisches Verfahren durch ein anderes (DAB+) ersetzt wird.

All die schönen alten Radioempfangsgeräte, von Max Grundigs erstem Baukasten bis zum großen

holzglänzenden Röhrenradio aus Omas Nachlass sind dann tagsüber für deutsche Sendungen

weitgehend nutzlos Kein Geräusch ist ihnen mehr zu entlocken – außer man wohnt im grenznahen

Gebiet zu Ländern, die noch senden (z. Bsp. Frankreich). Für Radiofans wie Ralph Oppelt, der es sich

zur Aufgabe gemacht hat, technisch interessierten Jugendlichen zeigen zu können, mit welch

einfachen Mitteln man ein Radioempfangsgerät selbst bauen kann, ist dies eine schlimme

Niederlage. Oppelt, der den Verantwortlichen auch politische Motive unterstellt, weiß dass der

politische Kampf um die Sender verloren ist. Seine Befürchtung bleibt: „Digitales Internetradio kann

viel einfacher kontrolliert und überwacht werden, als herkömmlicher Radioempfang durch die Luft.

Man denke nur an die Deutschen, die während des 2. Weltkriegs heimlich BBC hörten und so von den

Nazizensoren unabhängige Informationen besaßen“, sagt er offen seine Meinung. Und außerdem:

Sind alle Sender weg können künftig E-Autos auf diesen Frequenzen induktiv geladen werden, ohne

dass jemand über Empfangsstörungen klagen kann.“ Die offizielle KEF-Verlautbarung aber lautet, das

auf diese Weise in drei Jahren knapp 80 Millionen Euro eingespart würden, für einen kaum mehr

beanspruchten Dienst. Doch Oppelt steht mit seiner Kritik nicht allein: „Mit dem Abschied trennt sich

der deutsche Rundfunk von seinen Wurzeln“, schrieb die renommierte Wochenzeitung DIE ZEIT. Eine

wenig perfekte aber abenteuerliche Welt ginge nun Zugrunde – „wir erleiden einen Verlust“. Und

was Oppelt am meisten bedauert: Durch die Sprengung der Sendemasten wird nun selbst für einen

Notfall eine kurzfristige Wiederinstandsetzung unserer AM-Sender für immer unmöglich. Er hätte

sich gewünscht, dass man wenigstens eine einzige Sendeanlage, z.B. als technisches Museumsstück,

am Leben gelassen hätte, so wie es andere Länder in Europa taten: der MW-Sender Beromünster in

der Schweiz, der Längstwellensender Grimeton in Schweden oder der LW-Sender Lahti in Finnland,

um nur ein paar Beispiele zu nennen.


Der nun folgende Blogbeitrag von Ralph Oppelt im Forum „Radio und Technikgeschichte“ der Seite

www.radiomuseum.org vom 20. Dezember 2018 markiert auch deshalb einen Meilenstein. Ein Traum

Liebe Mittelwellenfreunde,

seit einigen Tagen gibt es hier für das Städtedreieck Nürnberg/Fürth/Erlangen einen kleinen

Mittelwellensender in AM. Gesendet wird tagsüber das Programm „Funklust – deine

Campusmedien“ (hierfür liegt eine Medienlizenz vor) und ab Mitternacht bis 5 Uhr morgens

ein getasteter 1 kHz-Ton. Der kleine Sender mit nur 3 W Trägerleistung befindet sich in der

Klubstation DK0FHG des Fraunhofer Instituts in Erlangen-Tennenlohe. Die Koordinaten sind

11°01´08.9´´Ost, 49°32´47.8´´Nord. Der Sender soll interessierten Jugendlichen einen

leichten Einstieg in das Verständnis der (Rund-)Funktechnik bieten. …


Direkt neben dem Institut ist ein ca. 60 Meter hoher Betonturm mit vielen Antennen dran.

U.a. wird da auf KW 15,785 MHz in DRM und auf DAB+ auch das oben erwähnte Programm

ausgestrahlt. Die MW-Antenne ist eine 40 m lange Edelstahllitze, die vom 3. Stock des

Institutsgebäudes von etwa 10 m Höhe in knapp 50 m Höhe schräg rüber zum Turm

gezogen ist, also schon fast Lamda/4 lang. Als Gegengewicht dient das sehr üppige

Blitzableiternetz am Dach. Somit wird auch etwas die Raumwelle bedient. Die vielen mp3-

Rapporte aus Italien, Österreich, Schweiz, Belgien, Holland, Norwegen, Finnland belegen

das und haben mich selbst total überwältigt. Die von der BNetzA zugeteilte Frequenz von

1476 kHz ist im Sender an einen OCXO angebunden (im Moment noch 0,41 Hz zu hoch),

auch der 1 kHz Ton wird davon abgeleitet. Das gestattet auch Versuche mit ultraschmaler

Filterung. Sogar ein DX-Experte 300 km westlich von Rio de Janeiro konnte damit den

Sender nachweisen, das sind fast 10.000 km Distanz.


Ich habe etwa drei Jahre für so einen Sender gekämpft, sämtliche Behörden (BLN, BNetzA,

Blitzschutzbeauftragte, Sicherheitsbeauftrage usw.) „überlebt“, den Sender selbst gebaut

usw. Also bitte keine Wunder erwarten, wenn sozusagen im Ein-Mann-Betrieb alles etwas

langsam voran geht, denn ich habe die technischen Möglichkeiten und auch die genehmigte

Strahlungsleistung von 6 W e.m.r.p. sicher noch nicht ausgereizt. Aber die stabile

Bodenwelle reicht jetzt schon aus, von Nürnberg Süd bis hoch zu der kleinen Stadt

Forchheim. Damit kann man mit einfachen Selbstbau-Empfängern z.B.

Rückkopplungsaudion, bereits jetzt tagsüber Experimente machen bzw. für Schüler und

Studenten Interesse an Funktechnik wecken. …


Etliche Hürden waren zu überwinden, bis die Hörer im Raum Forchheim, Erlangen, Nürnberg und

Fürth auf 1476 kHz nun wieder Musik und Meldungen auf MW hören können. Nicht nur das Funklust-

Programm, auch die Sendung „Campus und Karriere“ vom Deutschlandfunk sind nun wie früher über

Mittelwelle zu empfangen. Allerdings ist der Empfang wegen der noch recht geringen Sendeleistung

in urbaner Umgebung oft mit Störungen verbunden. Gegenwärtig wird daran gearbeitet, diese auf

die bereits medienrechtlich genehmigten 100 W zu erhöhen. Auch im Rundfunkmuseum Cham wird

von Radiofreunden ein ähnliches Projekt betrieben. In seiner Werkstatt schleift Oppelt längst

pädagogische Juwelen zu, um künftig mit Jugendlichen kleine Fortbildungen veranstalten zu können:

Den Bau einfacher Radioempfangsgeräte, auch der Besuch der Funkstation am Fraunhofer Institut

sind dabei möglich, wie das bereits mit einer Klasse des EvB-Gymnasiums Spardorf geschah. „Um zu

verstehen, wie ein Handy wirklich funktioniert, braucht man heute fast ein Dutzend Spezialisten“, so

Oppelt. „Die uralte Kulturtradition Radio aber ist von der Technik her ziemlich einfach zu begreifen

und auch ein einfaches Gerät kann man leicht selbst bauen“, argumentiert er und bekommt

leuchtende Augen. Die alte Welt der Lang-, Mittel- und Kurzwellensender, die es Deutschen erlaubte

ohne Internet oder Satellitenempfang überall auf der Welt selbst in entlegensten Gegenden die

Deutsche Welle zu empfangen, sie ist mit der Entscheidung der KEF untergegangen.


Ralph Oppelt, promovierter Elektrotechnik-Ingenieur war seit 1981 Mitarbeiter von Siemens; er hat

bis 1985 im Fachbereich Ultraschall promoviert und war lange Zeit leitender Mitarbeiter bei Siemens

im Forschungsbereich „MRT“ und Ultraschall. Seit er im Ruhestand ist, hat er viel Zeit für seine

Hobbies Amateurfunktechnik und Radiorestauration alter Röhrengeräte.


Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Peter Budig.


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